AMA-Zonas

Ulrike Rosenbach

Solo Show Ulrike Rosenbach 8. November–27. Februar 2020/2021

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die Installation "AMA-Zonas – Seelenzone“ der Künstlerin aus dem Jahr 1987. Zu verstörend schönen Landschaftsbildern ist der Ton eines fallenden Baumes zu hören. Diese auch heute noch sehr aktuelle Arbeit zeigt Ulrike Rosenbach als politische Künstlerin, verweist aber auch auf das zentrale Thema in ihrem Werk, die verloren gegangene Einheit des Menschen mit der Natur. Beispielhaft für diese Auseinandersetzung zeigen wir ältere Installationen („Isabel im Wald“, "AMA-Zonas -Seelenzone“ u. a.) Videos, Fotoarbeiten, neue, nie gezeigte Zeichnungen und Collagen.

Das Thema Natur findet man in meinem Oeuvre durchgehend immer wieder. Bereits in meiner ersten Aktion Naturkreis, die 1971 stattfand, spielt diese eine tragende Rolle. Neben den Arbeiten, die man feministischen Themen zuordnen kann, hat es eben durch die Jahrzehnte auch die Arbeiten gegeben, die mit der Natur zu tun hatten und sich mit dem Doppelthema “Frau in der Natur” beschäftigten – was aus der Sicht von Feministinnen nicht politisch war, vielleicht weil das Thema von Frau und Natur auch in traditionellen patriarchalem Denken verankert ist und häufig als frauenverachtendes Statement funktionierte. (Ulrike Rosenbach im Interview mit Dr. Stephanie Buhmann, 2020)

Zeichnungen sind ein Teil meiner tagtäglichen Übung und haben immer auch mit dem Kontext Frau zu tun, schon weil in der Düsseldorfer Akademie in der Klasse von Professor Joseph Beuys ja schwerpunktmäßig Aktzeichnen angeboten wurde. Ich habe das damals intensiv wahrgenommen, geübt und habe dann immer daran weitergearbeitet. Ich habe in all den Jahrzehnten ganze Bücher vollgezeichnet, von denen man in der Ausstellung einige wenige sehen kann. An einer Wand hängt aber ein ganzes Buch, das wir auseinandergenommen haben. Es heißt einfach Bäume - Zeichnungen und bildnerische Überlegungen, die mir aus der Hand fließen. (Ulrike Rosenbach im Interview mit Dr. Stephanie Buhmann, 2020)

Interview mit Dr. Stephanie Buhmann

Arbeiten zur Natur:
ein Interview mit Ulrike Rosenbach geführt von Stephanie Buhmann, November 2020

 

Das Thema, welches sich durch diese Ausstellung wie ein roter Faden zieht und in Form von Zeichnungen/Collagen, Fotoarbeiten Videos und Medien-Skulpturen mehrere Räume einnimmt, ist die Natur. Seit wann arbeiten Sie mit diesem Kontext?

 

Das Thema findet man in meinem Oeuvre durchgehend immer wieder. Bereits in meiner ersten Aktion Naturkreis, die 1971 stattfand, spielt dieses Thema eine tragende Rolle. Neben den Arbeiten die man feministischen Themen zuordnen kann, hat es eben durch die Jahrzehnte auch die Arbeiten gegeben, die mit der Natur zu tun hatten und sich mit dem Doppelthema “Frau in der Natur” beschäftigten - was aus der Sicht von Feministinnen nicht politisch war, vielleicht weil das Thema von Frau und Natur auch in traditionellen patriarchalem Denken verankert ist und häufig als frauenverachtendes Statement funktionierte.

 

Mit anderen Worten, Ihr Werk besteht aus zwei parallelen Langzeitüberlegungen, die sich auf den Feminismus aber auch auf die Natur konzentrieren.

 

Genau. Ich habe in meinem Leben zum Beispiel auch immer wieder in der Natur gelebt. Ich bin in einem Dorf geboren und in meiner Kindheit, kurz nach dem Krieg, habe ich Stunden im Wald gespielt, der mir immer ein sehr wichtiger Bezugspunkt geblieben ist. Später habe ich sogar allein in einem Wald im Saarland gewohnt. Ich bin immer ein Naturmensch in dem Sinne gewesen, dass ich raus gehe und mich mit den Bäumen beschäftige.

 

Es hat Sie immer wieder in die Wildnis gezogen.

 

Ja, könnte man so sagen...

 

Stand dies im Kontrast zu Ihrem Leben in großen Städten, wie zum Beispiel Los Angeles?

 

Nicht wirklich. Die Zeit in Los Angeles/Santa Monica war auch begleitet von vielen verschiedenen Naturerlebnissen, und es gibt dort nicht nur den Atlantik, sondern auch Wüstenlandschaft, zum Beispiel nahe bei Valencia, da wo das California Arts Institute liegt und wo ich 1975-1976 gearbeitet habe, vor langer Zeit also. Man veranstaltete in den Hügeln von Malibu Feste und generell sind Kalifornier sowieso meistens recht naturverbunden. Darüber hinaus war ich in Los Angeles Mitglied eines sogenannten Feminist-Lesbian Coven (Hexenvereinigung), der sich hauptsächlich auf die Natur bezog und insbesondere auf die Untersuchung der vorgeschichtlichen Mutter-Göttin, der Fruchtbarkeitsgöttin in geschichtlichen Studien.

 

Dazu gibt es sehr interessante Bücher, unter anderem von Robert von Ranke Graves (1895-1985), die alle Beteiligten studierten und die ich damals kennenlernte. Sie behandeln die vorchristlichen gesellschaftlichen Gepflogenheiten und die Stellung der Frau in der prähistorischen Verflechtung der Geschichte. Zum Beispiel findet man in den alten Kulturen auf den griechischen Zykladen Abbildungen der Großen Mutter als Fruchtbarkeitsgöttin. Jahrhundertlang wurde das von den Archäologen einfach nicht beachtet, aber die Frauenbewegung der 1970er Jahre in Kalifornien hatte sich das zum Thema gemacht. Es ging um die Aufarbeitung der Stellung der Frau in den ganz frühen, vorchristlichen Kulturen.

 

Dabei gab es dann gerade in Amerika einige Künstlerinnen, die sich wie Sie intensiv mit der Natur beschäftigten.

 

Ja, es gab einige wichtige Arbeiten von Künstlerinnen zu diesem Kontext, wie zum Beispiel Mary Beth Edelson (geb. 1933) oder Ana Mendieta (1948-1985), die zwar in New York lebte aber deren Aktionen fast ausschließlich in der Naturumgebung stattfanden. In der Community der Künstlerinnen gab es natürlich auch andere sehr wichtige Konzepte, wie zu den Themen Vergewaltigung und Gewalt gegen Frauen, zu denen ich auch damals gearbeitet habe; zum Beispiel mit Concert in a Act of Violence/Konzert im Gewaltakt (1979). Doch solche Gruppierungen wie der witches‘ coven von Zsuzsanna Budapest, haben mich damals weitaus mehr fasziniert. Wir arbeiteten an alten Naturritualen, die ich zum Teil in meine Arbeit mit eingeflochten habe. Eine dieser Arbeiten, die ich damals in den USA entwickelte, heißt Frauenkultur – Kontaktversuch (1977). Das war eine mediale Performance, die als Medieninstallation heute in der Sammlung des Folkwang Museums in Essen ist. Eine andere wichtige Medienperformance und Installation aus der Zeit heißt Reflexionen über die Geburt der Venus (1976). Der Ursprung der Venus ist das Mittelmeer und historisch positioniert bei der Insel Zypern, ein wichtiger Aspekt, wenn man bedenkt, dass selbst Botticelli die Venus auf einer Muschel malte. Alle Göttinnen der Frühzeit sind also den Naturelementen verbunden.

 

Gab es damals auch Künstlerinnen in Europa, die mit diesem Thema arbeiteten?

 

Es gab bestimmt welche, die ich aber nicht kannte. Später gab es in der Frauenbewegung ganze Gruppen, die sich dem Studium des Erscheinungsbildes der Großen Mutter gewidmet haben. Von Ranke Greves Buch Die weiße Göttin (1948) ist eines der besten Bücher, die zu diesem Thema erschienen sind. Aus den Recherchen, die ich dazu gemacht habe, entstand dann auch Die Schlacht der Bäume (1996), die zum Teil als Video in dieser Ausstellung gezeigt wird.

Diese Ausstellung ist nun besonders ausdrucksstark, da sie ältere und neuere Arbeiten kombiniert, darunter auch viele Zeichnungen.

 

Zeichnungen sind ein Teil meiner tagtäglichen Übung und haben immer auch mit dem Kontext Frau zu tun, schon weil in der Düsseldorfer Akademie in der Klasse von Professor Joseph Beuys ja schwerpunktmäßig Aktzeichnen angeboten wurde. Ich habe das damals intensiv wahrgenommen, geübt und habe dann immer daran weitergearbeitet. Ich habe in all den Jahrzehnten ganze Bücher vollgezeichnet, von denen man in der Ausstellung einige wenige sehen kann. An einer Wand hängt aber ein ganzes Buch, das wir auseinandergenommen haben. Es heißt einfach Bäume - Zeichnungen und bildnerische Überlegungen, die mir aus der Hand fließen.

 

Ist dies das erste Mal, dass Sie Zeichnungen in diesem Stil ausstellen?

 

Nein. Ich hatte bereits 2007 eine große Retrospektive meiner Zeichnungen im Saarlandmuseum Saarbrücken mit dem Titel Figur-Natur, für die auch ein Katalog publiziert wurde. Aber für Leute in Berlin oder Köln ist der Südwesten so etwas wie der Südpol. Man kommt nicht hin. Als ich nach Jahren nach Nordrhein-Westfalen zurückkehrte wurde ich zuerst wie immer auf die Medienkunst und den Feminismus der frühen Jahre verwiesen.

 

Isabel im Wald (1993) ist eine der skulpturalen Installationen, die nun in Bonn präsentiert werden. Man sieht einen ovalen Fernsehmonitor, der von einem Ring aus Baumrindenstücken umgeben ist. Es wird ein Video gezeigt, in welchem die abstrahierten Umrisse eines sich von links nach rechts bewegenden Frauenkopfes mit Bildern von einem Waldstück verschmelzen.

 

Diese Arbeit entstand bei mir Zuhause im Saarland zu der Zeit als ich an der Hochschule Medienkunst lehrte. Ich habe damals im Schloss Gutenbrunnen in der Nähe von Homburg mitten im Wald gewohnt. Es war ein sehr einsames Haus und es gab eine alte Kapellenruine. Es war sehr romantisch. Nach einigen Jahren kannte ich den Wald wie meine Hosentasche und diese Rinde ist ganz und gar von einer einzigen Fichte, die vom Borkenkäfer befallen worden war. Sie kam sozusagen geschlossen von oben nach unten gefallen und lag auch im Kreis so um den Baum herum. Ganz irre. Diese Arbeit besteht also noch immer aus diesen alten Baumrindenstücken, die ich jetzt schon 27 Jahre aufbewahrt habe.

 

Ging es Ihnen in dieser Arbeit auch um die klare Gegenüberstellung von der biomorphen Welt, wie sie hier mit den Baumrindenstücken skizziert wird, und der Technik, deren Präsentation eine gewisse geometrische Strenge hat?

 

Nein. Für mich ist der alte analoge Video-Monitor ein skulpturales Element, ein Objekt. Ich habe die technischen Elemente einbezogen. Ich war eigentlich immer „technikaffin.“ Ich fühle mich seit meiner Kindheit den technischen Medien verbunden. Mein Vater war Elektroingenieur und bei uns zu Hause wurden die Steckdosen selbst montiert. Ich habe damals das Löten von Kabeln gelernt. Natürlich suche ich aber die Spannung, die in meinen Installationen und Videoskulpturen zwischen Technik und Natur besteht, bewusst - ich nutze sie als ästhetisches Mittel.

 

Sie sagten einmal, dass es die Ausstellung Prospect an der Kunsthalle Düsseldorf (1971) war, welche damals unter anderem Werke von Vito Acconci, Dennis Oppenheim, Chris Burden und Bruce Nauman zeigte, die Ihnen Video als künstlerisches Mittel erschloss. Stimmt das so?

 

Ja, diese Wahl der Darstellung habe ich dort zum ersten Mal gesehen. Ich kaufte mir dann eine eigene – natürlich damals analoge – Videoanlage. 1972 habe ich dann eine erste live-Videoperformance während der neu gegründeten Kölner Kunstmesse in der Kunsthalle vorgeführt. Wulf Herzogenrath als Kurator und Direktor des Kölner Kunstvereins und René Block als Berliner Galerist meines Freundes, des Musikers Konrad Schnitzler, der in der Kunsthalle Konzerte mit Synthesizer veranstaltete, hatten das möglich gemacht.

Ich möchte noch einmal auf die Wahl des Ausstellungsthemas eingehen. Hat der Fokus Natur vielleicht gerade dieses Jahr ein besonderes Gewicht, da eine Pandemie unser Leben stark eingeschränkt hat und wir vielleicht eine Sehnsucht nach der offenen Natur verspüren wie noch nie zuvor? Im Gleichen Zuge wird uns die Entfernung des Menschen von der Natur nun besonders schmerzlich bewusst.

 

Entfernen ist ja sehr nett ausgedrückt. Wir zerstören die Natur und in was für einem Ausmaß! Man kann es überhaupt nicht anders sagen. Ich habe dieses Thema vorgeschlagen und Gisela Clement war von ihm begeistert, aber wir beide wissen auch, dass es zurzeit in Ausstellungen in fast allen europäischen Kunstinstituten sehr hoch gehandelt wird. Es ist der richtige Zeitpunkt - auch hier in Nordrhein-Westfalen - diese Thematik mal wieder zu zeigen.

 

Diese starke Präsenz in den verschiedenen Kultureinrichtungen führt einem schmerzlich vor Augen, wie lange sich schon Künstler wie Sie mit diesem Thema beschäftigen. Gab es jahrzehntelang kein passendes Forum, das als Sprachrohr hätte fungieren können?

 

Es gab diese Bewegung schon in den 1990er Jahren, aber sie ist damals im Kunstgeschehen durch die Ambitionen von jungen Kuratoren und Kuratorinnen untergegangen. Erst jetzt ändert sich das, aufgrund der Ergebnisse und durch die politische Entwicklung des sogenannten Klimawandels, aber jetzt ist es sehr spät. Ich habe zum Beispiel bereits 1990 die Arbeit AMA-Zonas - Seelenzone (1987) in einer Gruppenausstellung zum Thema im Staatlichen Museum in Budapest gezeigt. Das war kurz nach dem Niedergang des Kommunismus dort. Es war eine große Ausstellung mit dem Titel Ressource Kunst und sie war organisiert worden von Elisabeth Jappe und dem IFA. Es wurden die Arbeiten von Künstlern gezeigt, die zum Thema Natur arbeiteten. Darüber hinaus ist die Natur seit Jahrhunderten natürlich eines der bekanntesten Themen in der Kunst. Es war irgendwo schon immer in den Köpfen gewesen, aber die Zerstörung der Natur war nie so offensichtlich und lag nicht so auf der Hand. In den Kunstinstituten Deutschlands wurde es weniger wahrgenommen als zum Beispiel in England, wo die ökologische Problematik schon in den siebziger Jahren innerhalb von Kunstgruppen diskutiert und bearbeitet wurde, zum Beispiel in Form der Land Art. Ich war in jenen Jahren auch einmal zu Gast in der Findhorn Foundation Scotland, wo seit den 1960er Jahren exzessiv mit den ökologischen Auswirkungen der Industrie auf die Natur gearbeitet wird. Jetzt weiß es jeder und warum? Weil die Katastrophe da ist.

 

Ich könnte mir vorstellen, dass die älteren Naturarbeiten, die Sie zu einer Zeit machten als es noch Hoffnung gab, für Sie nun eine neue Tragik widerspiegeln. Man könnte sie vielleicht als ungehörte Warnrufe verstehen.

 

Ich würde sagen, dass ich mich einfach früh in dieser Thematik bewegt habe und dass diese Ausstellung das genau zeigt. Ich habe die Problematik vor langer Zeit erkannt und war verlinkt mit ökologischen Zusammenschlüssen. Aber hauptsächlich hat mich das mythologische und mystische Potential der Natur fasziniert. Man sieht das besonders in der Installation AMA-Zonas. Während einer kurzen Reise in das Waldgebiet des Amazonas mit einer Tochter Julia, hat uns die Atmosphäre des Waldes zusammen mit der unglaublich mystischen Ausstrahlung des Amazonas tief beeindruckt. Aus einer Fotoserie, die ich während dieses Trips gemacht habe, entstand dann die Installation. „Ama“ ist mit der Silbe “Ma“ ja die Bezeichnung für Mutter und in den indigenen Stammessprachen des Gebietes beschreibt es anscheinend auch die Seele. Genauso in der Arbeit Zehntausend Jahre habe ich geschlafen (1977). Der Text dazu gehört zu einer Ballade von florentinischen Hexen aus dem Mittelalter. Er beginnt in etwa so: “Zehntausend Jahre habe ich geschlafen und nun bin ich erwacht. Meine Haare sind die Bäume im Wind. Meine Kleider sind der Schnee auf den Bergen...” Er spricht also von einer Kongruenz der Natur mit dem Menschen. Weiterhin basiert die bereits erwähnte Schlacht der Bäume auf einer keltischen Ballade mit dem gleichen Titel über die Robert von Ranke Graves schreibt. Es wird auch Tanz um einen Baum gezeigt, welche ich 1979 auf der Sydney Biennale ausführte und sich von der Recherche her auf ein althergebrachtes Aborigine Ritual bezieht. Diese Aktion entwarf ich übrigens zu einer Zeit, in der in Australien die Kultur der Aborigines und vor allem ihre Kunst, international weder geschätzt wurde noch anerkannt war.

 

Ihren Arbeiten liegt also immer eine intensive Recherche zugrunde.

 

Ja. Wie bei den Werken zum Thema „Frau,“ für die ich die Kunstgeschichte hinterfragte und auch als Darstellungsmaterial benutzte, habe ich in den Werken zum Thema Natur und Mensch nach Material in der Geschichte gesucht, welches sich auf das Zusammenleben und Zusammensein zwischen Menschen respektive Frau und Natur bezieht. Meine eigenen philosophischen und politischen Überlegungen waren dabei Motor meiner künstlerischen Gestaltung und Umsetzung.

 

Galerie Gisela Clement