Sabrina Jung (*1978 in Neuss, lebt und arbeitet in Berlin) schloss ihr Studium der Fotografie an der Folkwang Universität in Essen 2007 bei Prof. Sasse ab. In ihren Fotografien beginnt sie früh mit der Montage zu arbeiten, um so neue Orte entstehen zu lassen. Wenig später hat sie begonnen, vorgefundenes analoges Fotomaterial unbekannter Personen zu collagieren. In ihren seriell angelegten Werken fordert sie die Betrachter*innen heraus, gewohnte Rezeptionsmechanismen zu überdenken. Ihre jüngsten Serien, begonnen mit den 'WoMen' in 2017, erweitern diese Verfremdung um den Aspekt des Geschlechts.
Rethinking Now
Sabrina Jung
IDYLLE
Klaus Fritze, Michelle Grabner, Alex Grein, Sabrina Jung, Timo Kube, Mike Meiré, Ulrike Rosenbach, Ludwig Philipp Strack, Raphael Weilguni, Noa Yekutieli
faces – traces
Alex Grein, Sabrina Jung, Keti Kapanadze, Sara-Lena Maierhofer, ORLAN, Ulrike Rosenbach, Lydia Schouten, Sarah Schumann, Annegret Soltau
Art Cologne 2021
Joachim Bandau, Slawomir Elsner, Michelle Grabner, Sabrina Jung, Keti Kapanadze, Timo Kube, Roman Lang, Martin Pfeifle, Ulrike Rosenbach
MOTHER
Anouk Lamm Anouk, Yasmina Assbane, Günter Brus, Louisa Clement, Georg Herold, Sanja Iveković, Sabrina Jung, Mel E. Logan & Sidney Logan, Anna Oppermann, Margot Pilz, Ulrike Rosenbach, Judith Samen, Michael Sardelic, Mariuccia Secol, Annegret Soltau, Gabriele Stötzer, Ivonne Thein, Maria Tobola, Paloma Varga Weisz
ART DÜSSELDORF 2022
Michelle Grabner, Sabrina Jung, Ulrike Rosenbach, TROUBLE Inc.
In verschiedenen Serien hat die Künstlerin Sabrina Jung die Sichtbarmachung der Konstruktion von Identität und deren Auflösung im fotografischen Porträt zum Thema gemacht. Dabei greift sie stets auf gefundenes, antiquarisches Fotostudio-Material zurück, das sie durch digitale Eingriffe verfremdet und zuletzt analog collagiert. Auch Ulla, Cleo und Lulu aus der Serie „Queers“ (2021) entspringen einem Bearbeitungsprozess, bei dem zunächst das gefundene Material digitalisiert und auf ein 1:1 Verhältnis zum Betrachter vergrößert wird. Anschließend werden die Gesichter der Personen digital mit einem weiteren, dem anderen Geschlecht angehörigen Gesicht verschmolzen, um dieses neue ‚Gesicht‘ dann in einem abschließenden Schritt analog auf das ursprüngliche Antlitz aufzubringen. Die vermeintlich fotografische Genauigkeit in der Erfassung der individuellen Physiognomie weicht in den Porträts von Sabrina Jung also einer Maske, die der digitalen Feder der Künstlerin entspringt. Wie lässt sich die Funktion der Maske in den ‚Porträts‘ der Künstlerin verstehen?
Die (Alltags-)Maske ist allgegenwärtig in unserer täglichen Kommunikation mit Menschen – wir verwandeln unser Gesicht in eine Maske, wenn wir uns in eine gesellschaftlich vorgegebene Rolle be- geben (Belting, Hans: Eine Geschichte des Gesichts). Unsere gesamte Begegnung mit anderen Menschen ist also zunächst weniger darauf ausgelegt, die individuellen Züge und Physiognomie eines Gesichts bzw. einer Person zu erfassen.
Indem die Künstlerin das neue ‚Gesicht‘ der Queers in einem analogen Prozess aufklebt, unternimmt sie einen wesentlichen künstlerischen Eingriff, die gesellschaftliche Tragweite der Schnittstelle von Gesicht und Maske ersichtlich zu machen. Durch die digitale Collage eines genderfluiden Gesichts setzt die Künstlerin vor allem eine Maske ein, die es gemäß unseren Spielregeln unmöglich macht, auf ‚ein‘ Individuum zu schließen. Doch nicht nur unsere Unfähigkeit, die individuellen Gesichtszüge der Personen auszumachen wird von Sabrina Jung sichtbar gemacht, sondern auch die Reichweite dieses Prozesses im Hinblick auf unsere Voreingenommenheit in der Verordnung einer Person in Bezug auf das Geschlecht. Ist diese ‚Maske‘ eher weiblich oder doch mehrheitlich männlich?
Textauszug: Miriam Schmedeke
Galerie Gisela Clement